BdV-Kreisverband Wetzlar besucht den Hessenpark – Flucht- und Vertreibungsgeschichte im Fokus

BdV Wetzlar besucht Hessenpark: 44 Teilnehmer entdecken im Freilichtmuseum die Geschichte von Flucht und Vertreibung. Zeitzeugen schildern persönliche Erfahrungen.

Wetzlar/Gießen. Der BdV-Kreisverband Wetzlar hat mit 44 Teilnehmern den Hessenpark in Neu-Anspach besucht. Unter den Mitreisenden waren auch viele Vertreter der Landsmannschaft der Ost- und Westpreußen Landesgruppe Hessen e.V. Die Tagesfahrt stand unter der Leitung von Schatzmeister Kuno Kutz. Ziel war es, die Wege der Vertriebenen und Flüchtlinge nach Hessen nachzuvollziehen.

Im Hessenpark stehen seit 1974 über 110 historische Gebäude aus allen Regionen Hessens. Sie vermitteln ein Bild des ländlichen Lebens vergangener Jahrzehnte. Die Besucher können auf 65 Hektar Gebäude aus dem Taunus, der Rhön und weiteren Gegenden erkunden. Weitere 100 Gebäude warten auf ihren Wiederaufbau.

Für die Teilnehmer der Ortsgruppen Biskirchen, Ehringshausen, Grünberg, Hungen, Kleinlinden/Leihgestern und Wetzlar waren zwei Gebäude besonders bedeutsam. In einem ehemaligen Wohnhaus wird die Geschichte der Flüchtlinge dokumentiert, die in Hessen eine neue Heimat fanden. Dort ist auch das Schicksal von Gerd-Helmut Schäfer dargestellt, dem Vorsitzenden des Landesverbandes der Ost- und Westpreußen. Seine Familie wurde 1949, ein Jahr nach seiner Geburt, nach Aira in Sibirien deportiert und durfte erst nach elf Jahren zurückkehren.

Ein weiteres Museumsgebäude, eine Scheune, ist nur durch einen alten Waggon zugänglich. Er erinnert an die Transporte der Vertriebenen. „In einem solchen Waggon wurden wir aus dem Sudetenland abtransportiert. 30 Menschen wurden dicht gedrängt hineingesetzt“, berichtete Roland Jankofsky aus Gießen-Klein-Linden.

Nach der Mittagspause hörte die Gruppe zwei Vorträge. Jankofsky schilderte die Vertreibung seiner Familie aus Kunzendorf bei Fulnek, dem heutigen Dolejší Kunčice in Tschechien. Sein Vater bewirtschaftete einen Hof mit 64 Hektar Ackerland und Wald. Am 17. April 1946 musste die Familie im ersten Transport in den Westen. „Im Waggon 21 war ich der 31. Mitfahrer“, erinnert sich Jankofsky. „Immer 40 Waggons mit je 30 Personen.“ Er war damals viereinhalb Jahre alt und hatte einen kleinen Rucksack dabei – mit einem Stoffhund und einem Nachttopf.

Er ging auch auf die historischen Hintergründe ein und zitierte aus den Benesch-Dekreten sowie aus Reden Winston Churchills. Aus dem Potsdamer Abkommen vom 23. Juli 1945 verlas er Passagen, die die Überführung der deutschen Bevölkerungsteile nach Deutschland betrafen – eine Überführung, die „geordnet und human“ erfolgen sollte, in der Realität jedoch vielfach anders verlief.

Im Anschluss berichteten Heidi Krist und Manfred Drexler aus Klein-Linden über die Kontakte zwischen dem BdV Wetzlar und der deutschen Minderheit in Nordmähren. Viele Vertreter der Landsmannschaft der Ost- und Westpreußen Landesgruppe Hessen e.V. zeigten großes Interesse an den vorgestellten Plänen. Krist und Drexler schilderten die Arbeit des Verbands der deutschen Nordmährer und des Adlergebirges sowie deren Museum und Begegnungszentrum in Mährisch Schönberg. Geplant sind Klassenfahrten nach Tschechien und Projekte zur historischen Bildung, etwa Heimatstuben, Archivarbeit und Zeitzeugenbegegnungen.

Auf der Rückfahrt legte die Gruppe einen Halt in Bad Nauheim-Steinfurt ein. Dort ließ der Musiker Hans Überall aus Dillenburg den Tag mit Liedern aus dem Sudetenland ausklingen.

Lothar Rühl

Inhaltspezifische Aktionen